Lesen als soziales Ereignis

"Es reißt mich wirklich nicht vom Hocker, aber man will ja mitreden können." Dieser Satz ist fast wörtlich einer Diskussion auf einem Bücherforum entnommen, in der es um den neuesten "Weltbestseller" ging: 50 Shades of Grey. Wobei ich jetzt überhaupt nicht über ein Buch nachdenken will, das mich nicht mal ansatzweise interessiert. Was mich interessiert, ist der Grund, aus dem die Leute offenbar Bücher lesen: um "in" zu sein.

 

Ja, ich weiß, tolle Erkenntnis. Die Josefa hat's auch schon gemerkt. Aber ich bitte um Entschuldigung, in dieser Deutlichkeit war mir das tatsächlich nicht bewußt. Für mich ist das geradezu die Pervertierung dessen, was aus meiner Sicht, seit ich klein war, Lesen ausmacht: den totalen Rückzug und die Loslösung von der Außenwelt, solange ich ins Buch schlüpfe.

Nicht falsch verstehen: Mich mit anderen Leuten über Bücher zu unterhalten, macht ebenfalls Spaß und kann ein zusätzlicher Bonus sein. Aber das wäre es auch, würde ich mit denselben Leuten übers Wetter plaudern.

Auf die Idee, mir ein Buch zu kaufen, um mitreden zu können, käme ich tatsächlich nicht. Und in den seltenen Fällen, in denen diese Motivation tatsächlich zumindest eine Nebenrolle gespielt hat (Biss), habe ich es bitter bereut. Ein Buch, das man bestenfalls so lala findet, aber auch dann noch eifrig weiter zu lesen und sich sogar die nächsten Bände zu beschaffen, nur weil man dadurch in die Situation versetzt wird, in einer sozialen Gruppe mithalten zu können, das entzieht sich meinem Verständnis. Da schlägt wohl wieder meine egozentrische Natur durch.

Ich lese ein Buch, weil es mir gefällt. Und ich lege Bücher weg, die mir nicht gefallen, wenn ich gerade keine Lust habe, mich durchzukämpfen. Ein Buch, von dem ich schon anhand von Thema und Leseprobe sagen kann, daß es mir nicht gefallen wird, lese ich nicht. Full stop.

Natürlich erklärt das so manches. Die momentane Werbekampagne für "50 Shades of Grey" zum Beispiel. Da muß natürlich ein Verriß nach dem anderen ins Feuilleton, in jeder überregionalen Zeitung. Damit die Leute etwas haben, über das sie sich mit aufregen können (und das den Hausfrauen im geblümten Kittelschürzchen, die ich für die Hauptzielgruppe dieses SM-Schinkens halte, das Gefühl gibt, so richtig verrucht zu sein, wenn sie es lesen ... oder wie sich ein Kollege heute ausgedrückt hat: "Jetzt machen wir aber den Eierlikör auf hier!" - jaja, bin schon still, ich wollte zu dem Buch ja nichts sagen). Es erklärt das Beharren der Verlage auf Serien, ganz egal wie abgenudelt der Plot dafür bei Band 5 oder 6 schon ist. Und es erklärt Hypes wie "Biss" oder die Bestseller von Charlotte Roche.

Es ist das Bedürfnis, dazuzugehören. Grundsätzlich ja nun etwas, das ich ebenfalls von klein auf kenne. Vielleicht spricht hier einfach der Neid der Besitzlosen. Aber, nein: Meine Lektüre möchte ich mir nach wie vor danach aussuchen, was mir - und mir ganz allein - gefällt.

 

<Neuerer Eintrag> - <Älterer Eintrag>

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Julia (Donnerstag, 19 Juli 2012 20:51)

    Also, ich hab auch noch nie ein Buch gekauft, um mitreden zu können. Bei Büchern ist es wie bei Filmen: zuviel Werbung (gut/schlcht) zeugen selten von guten Büchern oder Filmen. Ich halte es da wie Du. Ich lese das, was mir zusagt und nicht das, was mir als supertoll verkauft wird. -o.k. deshalb hab ich auch noch nicht diese "Panem" Bücher gelesen...-

Letzte Neuigkeiten

  • 6.02.2012: Neues KDP-E-Book: "Heidenspektakel"
  • 1.10.2012: Neues KDP-E-Book: "Roß und Reiter"
  • 3.06.2012: Das erste Mini-e-Book (via Amazon KDP)
  • 2.01.2012: Eine Buchbesprechung im Lokalteil des Erdinger Anzeigers
  • 19.11.2011: Rechtzeitig zum nahenden Advent: Eine Weihnachtsgeschichte mit Lantpert und Fulcko
  • 28.09.2011: Ich konnt's nicht mehr sehen. Die zweite Auflage - hoffentlich mit deutlich weniger Fehlern - ist in Auftrag gegeben.
  • 2.09.2011: Meine Kurzgeschichte für den Wettbewerb von Buchjournal.de ist online! Zu finden hier: Das Tuch
  • 17.8.2011: Wirklich schöne Neuigkeit: Bei dem Kurzgeschichten-Wettbewerb zum Thema "Rot", den das Buchjournal veranstaltet hatte, habe ich einen der Plätze zwischen 4 und 20 belegt.