Ausflug nach Freising

Bischofsstadt Freising - Detail von der Mariensäule
Bischofsstadt Freising - Detail von der Mariensäule

Am Samstag führte uns ("uns" = Kolping Altenerding) eine nette Dame von Pax Christi Freising zwei Stunden lang durch unsere unbekannte Nachbarstadt. Die Teilnehmerzahl war äußerst gering, und ich frage mich immer noch, woran das liegt. Grundsätzlicher Mangel an Interesse kann es nicht sein, wenn ich es mit dem Andrang vergleiche, der bei den Vorträgen zu Altenerding und Klettham geherrscht hat. Also doch einfach nur die Tatsache, daß Erding und Freising, obwohl nur sechzehn Kilometer voneinander entfernt, in ihrer Geschichte fast nichts miteinander zu tun hatten?

 

Die Leute von Pax Christi haben sich in Freising unglaubliche Mühe gemacht und einen richtigen Gedenkpfad samt Broschüre erarbeitet, der sich an Orten entlang hantelt, an denen Menschen entweder in der Geschichte für ihre Überzeugung verfolgt wurden oder an denen es ihnen gelang, sich im Rahmen der Möglichkeiten gegen Gewalt und Unterdrückung zu wehren.

Dieser Pfad deckt das gesamte Spektrum vom Spätmittelalter bis zur Moderne ab und umfaßt die Erinnerung an so unterschiedliche Personen wie Schwester Imma Mack, die als junges Mädchen die Insassen des KZs Dachau mit Informationen, Kleidung und Medikamenten versorgte und Briefe für sie ein- und aus schmuggelte, bis zu Katharina Mair, eine der ersten Protestantinnen im Machtbereich des Fürstbischofs, die die Obrigkeit mit dem Verzehr von Speckknödeln (*g*) während der Fastenzeit und der Verweigerung der Ohrenbeichte provozierte und dafür gefangengenommen, gefoltert und aus dem Fürstbistum verjagt wurde.

Die Freisinger Altstadt blieb im 2.Weltkrieg von Bomben weitegehend verschont
Die Freisinger Altstadt blieb im 2.Weltkrieg von Bomben weitegehend verschont

Für meinen Geschmack ging die Führung über manche Details zu schnell weg - warum zum Beispiel kaufte ein katholisches Kloster überhaupt in der Gärtnerei eines Konzentrationslagers ein? Gab es in Freising keine Gärtnereien? War es Vorschrift? - Mich hätte auch das Zusammenspiel der verschiedenen Figuren bei der Übergabe der Stadt an die Amerikaner brennend interessiert: die inoffiziellen Vertreter der Bürgerschaft und der angeblich knallharte SS-Kommandant, der zuerst jede Verhandlung ablehnte und am Ende doch klein beigab. Auch die "Stolpersteine", die ins Pflaster eingelassen sind und an ermordete jüdische Mitbürger erinnern sollen, sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sicher, wenigstens passiert irgendwas. Aber ein zehn Zentimeter großes Messingschildchen, über das die Leute latschen, wenn sie sich beim Bäcker ihre Semmeln holen? Hm.

Kopfsteinpflaster und alte Häuserzeilen
Kopfsteinpflaster und alte Häuserzeilen

Man merkte der Dame an, daß sie an vielen Stellen ein bißchen um den richtigen Ton und die richtige Formulierung rang, um das Schreckliche nicht zu eindeutig benennen zu müssen. Zum Beispiel: ein Rechtsanwalt, der sich während der Anfänge der Nazi-Zeit für die jüdischen Mitbürger einsetzte (und bei den erzwungenen Geschäftsaufgaben und Hausverkäufen wenigstens versuchte, faire Preise für seine Mandanten herauszuholen) wurde während der "Reichskristallnacht", behängt mit einem der typischen und viel fotografierten Schilder, von seinen Mitbürgern die Hauptstraße hinauf und hinunter getrieben. Er mußte letztlich die Stadt verlassen und schaffte es nirgendwo, neu anzufangen. Erst als die Amerikaner da waren, konnte er nach Freising zurückkehren.
Und wurde Oberbürgermeister - Max Lehner.. Hoch geehrt und geschätzt von seinen Mitbürgern - denselben, die ein paar Jahre vorher ... ?

Menschliche Persilscheine für eine ganze Stadt?

Der alte Grenzstein zwischen dem Fürstbistum Freising und dem Herzogtum Bayern - gleich dahinter liegt Weihenstephan
Der alte Grenzstein zwischen dem Fürstbistum Freising und dem Herzogtum Bayern - gleich dahinter liegt Weihenstephan

Für mich - nebenbei - ganz interessant: Der heutige Freisinger Lindenkeller liegt an der Stelle einer ehemaligen Pfarrkirche. Sankt Veit. Die wiederum lag auf halber Höhe zum "Nährberg" Weihenstephan. Und dürfte, meines Wissens, auf das älteste Kloster Freisings zurückgehen, das deutlich älter ist als das Domkloster (das wiederum etwas unterhalb der alten Agilolfinger-Residenz gelegen haben dürfte, die nach Absetzung Tassilos irgendwann an die Freisinger Bischöfe fiel).

In meinem Band 2 sollte ein gewisser Odalrich, Mönch im Domkloster, erwägen, nach Sankt Veit zu wechseln, weil er sich mit der Obrigkeit nicht mehr besonders versteht. Aber: da muß man so weit laufen bis zur Basilika und einen so steilen Hang raufklettern jeden Tag (muß man wirklich - in Freising verstehe ich, wenn die Leute mit Mountainbikes unterwegs sind). Muß bei der Entscheidung ja alles berücksichtigt werden.

In Summe: ein interessanter Nachmittag. Leider hatten wir unheimliches Pech mit dem Wetter - die Sonne hat es den ganzen Tag nicht durch den Nebel geschafft. Bei uns daheim war sie wenigstens mal minutenweise zu sehen. Aber anscheinend gibt es tatsächlich noch ein größeres Nebelloch als Erding.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Juicers Reviews (Sonntag, 05 Mai 2013 08:14)

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